Neue Spulen für alte Telefone

Alte Telefone und Geräte der Nachrichtentechnik enthielten früher eine Menge an Spulen und Übertragern. Wer solche alten Geräte funktionsfähig erhalten möchte, steht über kurz oder lang vor dem Problem, defekte Spulenwicklungen reparieren oder ersetzen zu müssen. Solange die Wicklung  nur einige hundert Windungen enthält, kann man das freihändig erledigen und dabei mitzählen. Je mehr Windungen aufgebracht werden müssen und je dünner der Lackdraht ist, umso mehr wird diese Handarbeit jedoch zur Geduldsprobe.

Früher gab es in vielen Fernmeldewerkstätten eine maschinelle Wickelvorrichtung, um solche Wicklungen schnell und einfach herzustellen. Heutzutage fällt es zunehmend schwer, jemanden zu finden, der solche Relais- oder Weckerspulen als Einzelstücke zu wickeln bereit ist. Andererseits entstehen dabei Kosten, die in keinem Verhältnis mehr zum technischen Wert der Geräte stehen.

Mittlerweile standen in der Fernmeldewerkstatt in der Wuhlheide 4 alte Fernsprecher zur Reparatur an, bei denen nur Spulenwicklungen defekt waren. Drei OB-Fernsprecher der Parkeisenbahn Halle mussten von der endgültigen Reparatur zurückgestellt werden, weil die Spulen der Wechselstromwecker unbrauchbar geworden waren. Im OB-Befehlsfernsprecher vom Stellwerk Hb der Berliner Parkeisenbahn waren 3 Relaisspulen von Flachrelais der Bauform 48 bei einem Gewitter beschädigt worden, so dass der Apparat auf diesen 3 Leitungen nicht mehr angerufen werden konnte. Aus dieser Situation heraus entstand die Idee, diese Spulenwicklungen in der eigenen Werkstatt zu erneuern. Voraussetzung dazu war natürlich eine Spulenwickelvorrichtung; ich wollte versuchen, diese ohne großen finanziellen Aufwand selbst zu konstruieren.

Wieder einmal wurde im Internet geforscht – Funkamateure und Elektronikbastler haben ja ähnliche Probleme zu lösen – Ideen und Lösungsansätze gesammelt. Nachdem mir 2 ausgediente, aber technisch noch funktionierende Akkuschrauber in die Hände gefallen waren, entstand diese Lösung einer sehr einfachen Spulenwickelvorrichtung unter Verwendung möglichst vieler altbrauchbarer Teile aus der Bastelkiste.

Rohbau
Rohbau

Die Akkuschrauber wurden zunächst ihrer Batteriehalterung entledigt, da diese überflüssig geworden war. Der Torso des Akkuschraubers bringt den Motor, ein robustes Getriebe und eine 6-Kant-Aufnahme für Schrauberbits mit. In die 6-Kant-Aufnahme habe ich ein dafür vorgesehenes Miniatur-Bohrfutter mit entsprechendem Ansatz eingesetzt. Ein zweites preiswertes Schnellspannfutter mit SDS-Aufnahme bildet das Gegenstück.

Die Halterungen für den Akkuschrauber sowie der Schlitten entstanden aus HPL-Platte, zurechtgeschnitten im Baumarkt. Die Grundplatte aus 16 mm MDF-Platte gibt die nötige Stabilität. Der Schlitten fährt auf einem handelsüblichen Schubladenauszug und die Wellen werden in Kugellagern geführt.

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Für die Einstellung der Motordrehzahl kaufte ich im Internet eine PWM-Steuerung „Made in China“ für knapp 3 EUR und für die Stromversorgung ein einstellbares Steckernetzteil (3; 4; 4,5; 5; 6; 7V/2,5A). In der Steuerung wurde noch ein Kippschalter zur Drehrichtungsumkehr und der Anschluß für einen zuschaltbaren Fußtaster zum bequemen Ein- und Ausschalten verbaut.

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Im Gegensatz zu den mechanischen Varianten von Zählwerken habe ich eine elektronische Lösung mit berührungsloser Auslösung gewählt. Bei der Fa. CONRAD gibt es einen kleinen elektronischen Zählerbaustein zu kaufen. Als Ansteuerung bewährt sich – nach einem erfolglosen Experiment mit Reedkontakt – eine Lichtschranke. Die IR-LED und Phototransistor sitzen sich in der Halterung des Akkuschraubers und der Welle gegenüber. Auf der Welle zum Bohrfutter rotiert eine Pertinax-Scheibe mit Langloch, so dass die Lichtschranke bei jeder Umdrehung für eine kurze Zeit freigegeben und der Zähler angesteuert wird. Die Form des Langloches in der Scheibe wurde nach einigen Versuchen gefunden, so dass der Zähler bis zur maximalen Umdrehungszahl von 200 min-1 zuverlässig mitzählt. Das Zählermodul fand seinen Platz im Gehäuse eines ausgedienten Funkweckers. Die alten AL(ARM)-Tasten des Weckers bekamen als Reset-Tasten für den Zähler (Nullstellung) noch eine ganz neue Aufgabe. Die Stromversorgung des Zählerbausteins erfolgt aus der Motorspannung 5V über 2 in Reihe geschaltete rote LED (~3V) und einen Goldcap als Puffer. Damit bleibt die erreichte Wicklungszahl auch bei Abschalten der Betriebsspannung noch für einige Minuten sichtbar. Die Spannung für die Beleuchtung des Zählers (9V) wird über einen Step-up-Wandler aus den 5V der Motorsteuerung gewonnen.

Vor der zu wickelnden Spule wurde noch eine seitliche Begrenzung für den Wickelraum vorgesehen. Die blanke glatte Welle mit den Gummirollen, die als verschiebbare Begrenzer dienen, stammt aus der Zerlegung eines alten Druckers. Diese seitlichen Begrenzer sollen verhindern, dass der Spulendraht beim Wickeln nach rechts oder links über den Rand der Spule hinaus läuft.

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Die Lagerung der Vorratsspule entstand ebenfalls aus aus HPL-Platte auf einer MDF-Grundplatte und einer großen Schraube mit nur vorn aufgebrachtem Gewinde. Um die Vorratsspule zu bremsen und dem Kupferdraht eine gewisse Vorspannung zu geben, wird sie mit einer Feder angedrückt, die von einer Flügel- oder Rändelmutter einstellbar vorgespannt wird.

Zwischen den beiden Bohrfuttern können die zu bewickelnden Spulenkörper auf Wellen mit einem Durchmesser bis zu 6 mm eingespannt werden.

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Die Aufnahmevorrichtung für die Weckerspulen entstand aus einem Stück Gewindestange M5 sowie 2 Karosseriescheiben und 4 Muttern.

Zum Einspannen von Spulenkörpern von Fernmelderelais (Flachrelais 48) wurden 2 spezielle Halterungen aus Pertinax mit 4mm-Zapfen auf beiden Seiten angefertigt. Der Kern des Flachrelais mit dem Spulenkörper wird in den beiden Halterungen mittig eingespannt, so dass er sich um seine Mittelachse dreht.

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Die Drahtführung beim Wickeln erfolgt im Moment noch mit der Hand ohne automatische Führung. Eine automatische Drahtführung mit einstellbarer Begrenzung der Wicklungsbreite könnte ich mir für die Zukunft als Weiterentwicklung der Vorrichtung vorstellen. Dazu fehlt mir im Moment noch die „zündende Idee“.

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Inzwischen ist die erste Ersatzspule für einen Wechselstromwecker im OB-Apparat mit 30000 Wdg. CuL-Draht 0,05mm gefertigt und diese einfache Spulenwickelvorrichtung hat ihre erste Bewährungsprobe bestanden.

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Damit ist endlich die Ersatzteilfrage für einfache Wecker- und Relaisspulen geklärt, diese können jetzt in der eigenen Werkstatt neu gewickelt werden.

Ein neuer (alter) OB-Befehlsfernsprecher für die Parkeisenbahn Wuhlheide

Pünktlich zum Dampfspektakel bei der Berliner Parkeisenbahn am 13. und 14. Juni 2015 konnte im Stellwerk Hb der Berliner Parkeisenbahn eine neuer (alter) OB-Befehlsfernsprecher vorläufig in Betrieb genommen werden. Über diese besondere Bauart von OB-Fernsprechern soll hier etwas berichtet werden.

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OB Befehlsfernsprecher: OB SFw Mg neben OB Lipinski & W63a

OB-Befehlsfernsprecher dienten dazu, auf großen Betriebsstellen mit vielen Fernsprechleitungen mehrere OB-Fernsprecher in einem Gerät zu vereinen und damit die Bedienung einfacher und übersichtlicher zu gestalten.
Zitat aus einer zeitgenössischen Fachzeitschrift von 1963: „Da der Fahrdienstleiter (Fdl) zur gleichen Zeit immer nur e i n e n Fernsprecher bedienen kann, lag es nahe, mehrere gleichartige Geräte in einem zweckmäßigen, formschönen Gehäuse zu vereinigen. Begonnen wurde mit der Entwicklung des OB-Befehlsfernsprechers, bei dem bis zu 30 OB-Verbindungen auf einem Gerät enden, das in Pultform auf dem Arbeitstisch Platz findet oder als Platine in den Tisch eingelassen werden kann.“
Das Konzept an sich ist jedoch schon älter. So wurden anfangs OB Fernsprecher vom Typ OB33 mit einem Umschalter (Quante-Schalter) und später mit einem Tastenvorsatz mit 5 Drucktasten ausgerüstet. In den 1950er Jahren wurden für die Deutsche Reichsbahn besondere OB-Befehlsfernsprecher für 10 oder 20 Anschlußleitungen von der Firma Lipinski Fernmeldeanlagen KG in Berlin gebaut. Später übernahm die Deutsche Reichsbahn den Bau dieser Geräte in eigene Werkstätten, ab ca. 1963 wurde vom Signal- und Fernmeldewerk Magdeburg ein selbst entwickelter OB-Befehlsfernsprecher geliefert (Bauart SFw Mg).
Er war schaltungstechnisch gegenüber dem Fernsprecher der Fa. Lipinski stark vereinfacht, indem man die meisten Schaltungsfunktionen mittels Kellogschalter statt über Drucktasten und Fernmelderelais realisierte. Nur als Anrufrelais fanden kleine Rundrelais Verwendung.
Das Tischgerät sah anfangs dem der Geräte der Fa. Lipinski sehr ähnlich, alle Bauteile fanden in diesem Tischgerät Platz und ein separater Relaiskasten wurde entbehrlich. Die Hörergabel und Handapparat entsprechen der Ausführung des W38 und OB53, ebenso der Kurbelinduktor. Später wurden diese Fernsprecher weiterentwickelt und unter anderem die Hörerauflage verändert. Es kamen dann die moderneren Handapparate aus der Produktion des Fernsprechapparates „Variant“ zum Einsatz und statt eines Kurbelinduktors wurde ein elektronischer Rufgenerator eingebaut.
Mit diesem Fernsprecher war es möglich, bis zu 10 (oder 20) OB-Fernsprechleitungen an einem Apparat zusammenzufassen.

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Befehlsfernsprecher Bauart SFw Mg

Der vorliegende OB-Befehlsfernsprecher der Bauart SFw Magdeburg stammt vom Bf. Calbe in Sachsen Anhalt und war dort bis zum Jahr 2014 noch im täglichen Betriebseinsatz auf dem Stellwerk B1. Beim Um- und Rückbau der Stellwerksanlagen auf diesem Bahnhof wurde er, wie viele alte Technik, überflüssig.
Durch Kollegen des Fördervereins der Parkeisenbahn Halle/S. (Peißnitzexpress) konnte der Fernsprecher zunächst vor der Verschrottung bewahrt werden. Für die recht übersichtliche Anlage der Hallenser Parkeisenbahn erschien er dann aber etwas überdimensioniert und so wurde er kurzerhand an die Kollegen der AG Fernmeldetechnik in Berlin abgegeben, auf daß man dort weitere Verwendung für ihn hätte.
Von außen sieht man dem Fernsprecher sein Alter durchaus an, aber er war technisch fast vollständig erhalten und stammt aus der Fertigung dieser Geräte aus den 1960er Jahren (Kurbelinduktor vom OB53, noch kein Rufgenerator eingebaut) .
Nur die vieladrige Anschlußleitung fiel leider dem beherzten Rückbau per Seitenschneider zum Opfer. Aufgrund dieses guten Allgemeinzustandes wurde entschieden, dieses Gerät sogleich zu reparieren und für einen Einsatz in Berlin vorzubereiten.
Für die erneute Inbetriebnahme wurde zunächst die abgeschnittene Anschlußleitung durch ein ausgedientes Datenkabel einer modernen EDV-Anlage ersetzt. Diese Datenleitung aus dem Fundus hat zufällig genau die Anzahl von Adern, die für den Anschluß benötigt werden. Im Fernsprecher wurde die Leitung klassisch mit Wachsschnur zu einem Kabelbaum ausgebunden.

 

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Anschlußleitung beim Ausbinden

Die alten Kabelschuhe wurden wiederverwendet und kurzerhand angelötet (original waren sie gepresst).
Die Datenleitung ist mit einem 37-poligen Sub-D-Stecker abgeschlossen. Dieser Stecker wurde bei der Gelegenheit gleich beibehalten, um den Fernsprecher steckbar an die Zuleitungen anzuschließen. Dadurch sind die gleichartigen Befehlsfernsprecher im Störungsfall in Zukunft leicht austauschbar.
Bei der weiteren Inbetriebnahme wurde noch das Innenleben und die Relais- und Schalterkontakte gereinigt sowie einige Anruflampen getauscht bzw. instandgesetzt.

Eine zukünftige Verwendung für dieses Gerät zu finden, war dann auch nicht schwer.
Auf den Stellwerken der BPE ist bereits ein OB-Befehlsfernsprecher der Bauart SFw Mg (spätere Ausführung mit modernerem Hörer) und ein älterer Befehlsfernsprecher der Fa. Lipinski aus den 1950er Jahren im Einsatz. Der Lipinski-Fernsprecher erlitt im vorigen Jahr bei einem Gewitter einen Schaden, dessen Reparatur sich aufwändig gestaltet.

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Vorbereitet zum Transport in die Fm-Werkstatt

Hier wird der alte Magdeburger Apparat zunächst als Ersatz aushelfen, bis der Lipinski-Fernsprecher repariert aus der Fernmeldewerkstatt zurückkehrt. Danach wird er im Stw. Badesee den vorhandenen Befehlsfernsprecher ersetzen, der auch dringend eine gründliche Überholung in der Werkstatt benötigt. Ist das erledigt, wird er als Störungsreserve bereitgestellt, damit immer ein funktionierender Fernsprecher dieser Bauart zum Tausch bereitsteht. Außerdem können wir damit zwei verschieden alte Fernsprecher der Bauart SFw Mg im Betrieb vorführen.
Damit kann der OB-Befehlsfernsprecher nun in sein 2. Arbeitsleben bei der Parkeisenbahn Wuhlheide starten und wird hier sicherlich noch lange zur vollen Zufriedenheit der Parkeisenbahner seinen Dienst verrichten.
Vielen Dank an die Kollegen aus Halle/S. für die Sicherstellung und Überlassung dieses Gerätes!

Hochwasserhilfe 2013: Aufarbeitung der Fernmeldeanlagen und der Bohmeyer-Hauptuhr für die Parkeisenbahn Peißnitzexpress Halle (Saale) e.V.

Das Hochwasser der Saale 2013 und seine Folgen

Die Geschichte dieses Projektes beginnt mit einer e-mail unserer Freunde und Kollegen von der Parkeisenbahn Halle (Saale) vom 2. Juni 2013:

„Liebe Freunde der Parkeisenbahn Halle,
am heutigen Morgen mussten die ersten Aktiven im Verein und ich betroffen feststellen, dass wir angesichts der Hochwasserentwicklung nun einmal wieder nur noch Zuschauer am Szenario sind; die Peißnitzinsel ist nicht mehr erreichbar. … Alle für uns relevanten Pegel zeigen kein Sinken; die meisten steigen munter weiter…“

Es war das Schlimmste zu befürchten, und das wurde von der Entwicklung des Hochwassers in den folgenden Tagen leider noch bei weitem übertroffen. Beim höchsten Pegelstand der Saale von 8,10 m waren die Gebäude auf der Peißnitzinsel zum Teil bis zum Dach überflutet.

Alle Maßnahmen im Vorfeld – außer der Evakuierung eines Teils der Fahrzeuge – erwiesen sich als nicht ausreichend gegenüber dieser extremen Überflutung, und die Anlagen der Parkeisenbahn wurden von den Wassermassen schwer beschädigt.

Unter den vielen Anlagen der kleinen Bahn, die seitdem aufwändig wieder instandgesetzt werden mußten, befand sich auch die historische elektromechanische Hauptuhr der Fa. Bohmeyer im Bahnhofsgebäude des Bf. Peißnitzbrücke, die bei diesem Hochwasser zum ersten Mal komplett überflutet wurde.

Nun stellten neben den schlimmen Schäden, die das Hochwasser überall entlang der Saale angerichtet hatte, die Bahnanlagen der Parkeisenbahn und die Uhrenanlage nur einen kleinen Teil der Dinge dar, die nach dem Abzug der Fluten einen bedauernswerten Anblick boten. Allerdings hat genau diese Uhr auch einen regionalen Bezug zur Stadt Halle (Saale).

Die Firma C.Bohmeyer KG Halle – Saale,  bei der diese Uhr Ende der 1930er Jahre gebaut wurde, war lange Zeit in Halle ansässig und stellt damit auch einen kleinen Teil hallescher Industriegeschichte dar. Die Hauptuhr wurde im Dezember 1941 auf dem Bahnhof Teicha an der Bahnstrecke Halle – Vienenburg in Betrieb genommen und gelangte später zur Parkeisenbahn Halle (Saale) auf die Peißnitzinsel. Die Wiederherstellung – gerade auch dieser alten Uhr im Original – lag deshalb den Kollegen der Parkeisenbahn Peißnitzexpress Halle (Saale) e.V.  sehr am Herzen.

Nach dem Abzug des Wassers – viele Hände helfen

Sobald die Wassermassen abgeflossen waren und die Insel wieder erreichbar war, wurden Mitglieder des Fördervereins tätig und begannen mit ersten Arbeiten zur Sicherung und Wiederherstellung der Anlagen. Erst jetzt wurde das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar.

Bei einer ersten Begehung bot sich den Aktiven im Verein u.a. folgendes Bild:

Nach dem Hochwasser (1) [Foto: Förderverein Parkeisenbahn Halle (Saale)]

Die Arbeitsbedingungen in den ersten Tagen nach dem Hochwasser waren kompliziert. Strom- und Wasserleitungen auf der Peißnitz waren abgestellt. Überall waren Überreste des Hochwassers zu sehen und ein fauliger Geruch lag in der Luft. Immerhin gab es schon nach wenigen Tagen frisches Wasser aus einem Tankwagen zum Händewaschen.

In einer solchen Situation ist das schon ein gewaltiger Fortschritt, und man lernt die Bedeutung solch elementarer Dinge erst wieder richtig einzuschätzen, wenn man so etwas selbst direkt vor Ort erlebt hat.

Neben all den allgemeinen Aufräum-, Entsorgungs- und Reinigungsarbeiten an den Anlagen der Parkeisenbahn wurden auch die elektrisch betriebenen Anlagen der Sicherungs-, Stellwerks- und Fernmeldetechnik begutachtet, trocken gelegt und soweit möglich und sinnvoll zur Reparatur ausgebaut.

Nach dem Hochwasser (2) [Foto: M.Schmidt]

Viele Eisenbahnfreunde fanden sich kurzfristig zur Hilfe ein und am 22. Juni 2013 fuhr auch ich zum Arbeitseinsatz des Fördervereins nach Halle (Saale), um die Aufräumungsarbeiten – insbesondere im Bereich der Fernmeldeanlagen –  zu unterstützen. Alle transportablen Anlagen und Geräte wurden dabei zur weiteren Bearbeitung per Pkw in die Fernmeldewerkstatt bei der Berliner Parkeisenbahn in die Wuhlheide gebracht.

… ob da noch was zu reparieren ist? [Foto: M.Schmidt]

In den folgenden Wochen und Monaten konnten in Berlin zunächst die Telefonanlage, OB- und Wählfernsprecher, Stromversorgungsgeräte und die Lautsprecheranlage vom Bf. Peißnitzbrücke gereinigt, repariert und geprüft werden.

Diese Arbeiten erstreckten sich bis zum Frühjahr 2014. Zum Ende des Monats März 2014 konnte dann ein großer Teil der aufgearbeiteten Technik zurück auf die Peißnitzinsel gebracht, eingebaut und wieder in Betrieb genommen werden. Dabei wurde die gesamte Installation erneuert und Anschlüsse so gestaltet, daß die Geräte bei Gefahr eines erneuten Hochwassers schnell evakuiert werden können.

Fernmeldeanlagen Bf. Peißnitzbrücke (1) [Foto: M.Schmidt]

Für die Steuerung der Uhrenanlage stand nach dem Hochwasser eine elektronische Hauptuhr zur Verfügung. Damit war mit moderner Technik zunächst auch die Funktion der Bahnhofsuhren beim Peißnitzexpress wieder sichergestellt.

Fernmeldeanlagen Bf. Peißnitzbrücke (2) [Foto: M.Schmidt]

Anschließend konnte in aller Ruhe mit der Aufarbeitung der Bohmeyer-Hauptuhr begonnen werden.

Die Reparatur der Pendeluhr

Uhrwerk und elektrischer Teil

Zunächst wurde die Uhr komplett zerlegt, und die aufgefundenen Schäden dokumentiert.

Uhrwerk – Schadaufnahme [Foto: M.Schmidt]

Es stellte sich heraus, daß sich das Uhrwerk in einem relativ guten Zustand befand. Das Ziffernblatt hatte allerdings starke Korrosionsschäden, und die elektrischen Kontakte am Uhrwerk sowie der Aufzugsmotor waren überholungsbedürftig. Das Holzgehäuse war aufgequollen, das Furnier beschädigt und verleimte Verbindungen hatten sich durch das Wasser gelöst.

Die Arbeiten rund um das Uhrwerk konnten durch die Fernmeldewerkstatt in der Wuhlheide in Eigenregie ausgeführt werden. Zunächst wurde der Aufzugsmotor zerlegt und gereinigt. Eine beschädigte Kontaktfeder mußte erneuert werden, dann konnte die Funktion des Motors zunächst allein überprüft werden.

Aufzugsmotor – erster Test [Foto: M.Schmidt]

Da die Uhrenanlage und die Hauptuhr bei der Parkeisenbahn Halle (Saale) mit einer Betriebsspannung von 24 V betrieben werden, die Betriebsspannung des Aufzugsmotors jedoch mit 8-12 V vorgegeben ist, war dem Motor bisher eine große Glühlampe als Vorwiderstand vorgeschaltet. Diese Schaltung war einfach und wirkungsvoll, jedoch wurde der Motor eigentlich mit einer zu hohen Spannung betrieben, wie sich im Probebetrieb in der Werkstatt herausstellte. Um die historische Technik zu schonen, entschied ich mich, im Gehäuse oberhalb des Uhrwerkes unauffällig eine elektronische Spannungsregelung einzufügen. Damit bekommt der Motor unabhängig von der Speisespannung nur 8 V und der Aufzug läuft ruhiger. Außerdem wurde optisch unauffällig eine elektronische Sicherung in den Stromkreis des Aufzugsmotors integriert. Diese soll ein Verschmoren der Motorwicklungen verhindern, falls der Antrieb wegen eines Fehlers in der Mechanik einmal unbeabsichtigt länger als üblich unter Spannung stehen sollte.

Anschließend wurde das Uhrwerk komplett zerlegt, alle Teile gereinigt und alles wieder zusammengebaut.

Uhrwerk beim Zusammenbau [Foto: M.Schmidt]

Auch die Seile des Aufzuges wurden bei dieser Gelegenheit erneuert. Der Hinweis eines Uhrmachers brachte mich auf die Idee, Skalenseile, wie sie in alten Radioempfängern Verwendung finden, dafür zu nutzen. Das ist zwar an dieser Stelle nicht ganz historisch korrekt, es hat allerdings technische Vorteile.

Nachdem auch das Kompensationspendel und sein Holzstab gereinigt und aufgearbeitet waren, konnte das Uhrwerk in der Werkstatt zum Test montiert und in Betrieb genommen werden. Uhrwerk und Aufzug funktionierten auf Anhieb ohne Probleme.

Erster Testlauf des Uhrwerkes [Foto: M.Schmidt]
Gehäuse und Ziffernblatt

Nach der Instandsetzung des Uhrwerkes und des elektrischen Teils der Uhr blieben noch zwei besondere Probleme zu lösen: einerseits die Wiederherstellung des Uhrengehäuses und die Restauration des Ziffernblattes. Für letzteres hatte ich bereits eine Idee, allerdings machte mir das Holzgehäuse zunächst Sorgen! Für die Restauration der Holzteile war ich auf die Hilfe eines Fachmannes für Holzarbeiten angewiesen.

Das Uhrengehäuse nach dem Hochwasser [Foto: M.Schmidt]

Erste Anfragen bei Tischlereien in der Umgebung brachten allerdings ernüchternde Ergebnisse. Zunächst einmal fühlt sich nicht jeder von einem solchen Restaurationsobjekt angeprochen. Eine andere Tischlerei brachte einen kompletten Neubau des Gehäuses ins Spiel, aber der Kostenvoranschlag für die Anfertigung ließ für die Machbarkeit in finanzieller Hinsicht nicht viel Gutes erahnen…

An dieser Stelle halfen einmal mehr Zufall und etwas Glück weiter.

Im Urlaub mit meiner Familie hatten wir einen Tischlermeister und dessen Familie kennengelernt. In einer email berichtete ich ihm von meinem Problem, fügte ein paar Fotos an und bat ihn um seinen fachlichen Rat, “… ob denn mit diesem Uhrengehäuse überhaupt noch irgend etwas zu machen wäre?…“ Die Antwort vom Fachmann kam schnell: „Na klar läßt sich da etwas machen!“ und obendrein bekam ich das Angebot, diese Arbeit als Hilfeleistung nach dem Hochwasser für den Verein der Parkeisenbahn Peißnitzexpress Halle (Saale) zu übernehmen. Das war weitaus mehr, als ich zunächst erhofft hatte, und wenig später konnte ich das arg lädierte Uhrengehäuse wieder ins Auto verladen und in der Tischlerei Falko Hecker in Pankow abliefern.

Nach einigen Wochen bekam ich einen Anruf, daß ich nach Pankow kommen könne, mir das fertiggestellte Uhrengehäuse abzuholen. Ich war ziemlich beeindruckt: das Uhrengehäuse sah so gut wie neu aus, trotzdem konnten so viel wie möglich der originalen massiven Holzteile – also historischer Substanz – weiter verwendet werden.

Das Uhrengehäuse – alt neben neu [Foto: M.Schmidt]

An dieser Stelle möchte ich Herrn Falko Hecker und seinem Team der Tischlerei auch im Namen aller Kollegen der Parkeisenbahn Halle (Saale) noch einmal herzlichen Dank für die uneigennützige Hilfe sagen.

Letzte Station bei der Restauration der Uhr war das Ziffernblatt. Die sichtbare silberne Oberfläche war durch oberflächliche Korrosion unansehnlich und rauh, die Stunden- und Minutenmarken unleserlich geworden.

Ziffernblatt nach dem Hochwasser [Foto: M.Schmidt]

Zunächst wurde das Ziffernblatt im vorhandenen Zustand gescannt, um eine digitale Vorlage zum Restaurieren zu schaffen. Am Computer wurden die Stunden, Minuten- und Sekundenmarkierungen digital wiederhergestellt sowie alle Fehlerstellen entfernt. Damit war zunächst eine digitale Druckvorlage erstellt.

Für die weitere Bearbeitung konnte ich auf die bewährte Mithilfe der Grafik-Ausbildungswerkstatt „digiprintworker“ des TJP e.V. zurückgreifen.

Um die metallische Oberfläche authentisch wirken zu lassen, griffen wir auf eine silberne bedruckbare selbstklebende Folie zurück, die dem originalen Erscheinungsbild des Ziffernblattes erstaunlich nahe kommt. Allerdings war die Oberfläche des alten Ziffernblattes durch Korrosion rauh geworden, die Klebefolie ließ sich nicht glatt aufkleben. Um die historische Substanz trotzdem weitestgehend erhalten zu können, bekam das alte Ziffernblatt eine Auflage durch eine 0,5 mm starke glatte Kunststoffplatte, die kreisrund in die Lünette eingesetzt wurde. Darauf wurde dann die silberne Folie mit dem aufgedruckten Ziffernblatt blasenfrei aufgeklebt. Optisch kommt die Oberfläche dem Original jetzt sehr nahe und die geringfügig größere Dicke fällt nicht ins Auge.

Das Beschaffen der passenden Folie, das Drucken und Aufkleben wurden dankenswerterweise vom Ausbildungsprojekt „digiprintworker“ des TJP e.V. übernommen, die uns u.a. auch schon bei anderen Restaurationsprojekten an Ziffernblättern von Bahnhofsuhren mit fachlichem Rat, interessanten Ideen und handwerklich perfekter Umsetzung geholfen hatten.

Uhr und Ziffernblatt nach der Aufarbeitung [Foto: M.Schmidt]

Jetzt hatte das Uhrwerk wieder „ein Gesicht“, und nachdem alles endgültig zusammengebaut war, wurde die Uhr zunächst in Berlin einem ersten Testlauf unterzogen. Dazu wurde die Hauptuhr in der Fernmeldewerkstatt Wuhlheide installiert. Zufällig hatten wir zu dieser Zeit auch eine Nebenuhr des gleichen Herstellers C. Bohmeyer KG Halle Saale aus einem Schrottcontainer(!) retten können, die etwa 1 Jahr später als die Hauptuhr geliefert wurde. Diese Nebenuhr wurde kurzerhand als Kontrolluhr an die Hauptuhr angeschaltet, und konnte damit auch gleich auf ihre Funktion geprüft werden.

Ein solches Ensemble aus Haupt- und Nebenuhr des gleichen Herstellers Bohmeyer aus Halle/S. ist heute wohl eher selten anzutreffen, und soll deshalb hier auch mit einem Foto gewürdigt werden.

Haupt- und Nebenuhr der Fa. Bohmeyer im Testbetrieb [Foto: M.Schmidt]
Fabrikschilder von Haupt- und Nebenuhr [Foto: M.Schmidt]

Beim Testlauf in Berlin konnte das Pendel bereits soweit justiert werden, daß die Uhr mit nur noch wenigen Sekunden Abweichung pro Tag funktionierte, und Ende Mai 2015 war es dann soweit: die restaurierte Hauptuhr konnte wieder an ihrem angestammten Platz im Bf. Peißnitzbrücke der PE Halle (Saale) installiert und in Betrieb genommen werden.

Zurück im Bf. Peißnitzbrücke [Foto: M.Schmidt]

Im Moment hat die Hauptuhr selbst keine Nebenuhren mehr anzusteuern, dennnoch funktioniert sie wieder zuverlässig und bereichert die Ausstattung des Bf. Peißnitzbrücke zur Freude der Besucher und Kollegen der Parkeisenbahn Halle (Saale).