Neue Spulen für alte Telefone

Alte Telefone und Geräte der Nachrichtentechnik enthielten früher eine Menge an Spulen und Übertragern. Wer solche alten Geräte funktionsfähig erhalten möchte, steht über kurz oder lang vor dem Problem, defekte Spulenwicklungen reparieren oder ersetzen zu müssen. Solange die Wicklung  nur einige hundert Windungen enthält, kann man das freihändig erledigen und dabei mitzählen. Je mehr Windungen aufgebracht werden müssen und je dünner der Lackdraht ist, umso mehr wird diese Handarbeit jedoch zur Geduldsprobe.

Früher gab es in vielen Fernmeldewerkstätten eine maschinelle Wickelvorrichtung, um solche Wicklungen schnell und einfach herzustellen. Heutzutage fällt es zunehmend schwer, jemanden zu finden, der solche Relais- oder Weckerspulen als Einzelstücke zu wickeln bereit ist. Andererseits entstehen dabei Kosten, die in keinem Verhältnis mehr zum technischen Wert der Geräte stehen.

Mittlerweile standen in der Fernmeldewerkstatt in der Wuhlheide 4 alte Fernsprecher zur Reparatur an, bei denen nur Spulenwicklungen defekt waren. Drei OB-Fernsprecher der Parkeisenbahn Halle mussten von der endgültigen Reparatur zurückgestellt werden, weil die Spulen der Wechselstromwecker unbrauchbar geworden waren. Im OB-Befehlsfernsprecher vom Stellwerk Hb der Berliner Parkeisenbahn waren 3 Relaisspulen von Flachrelais der Bauform 48 bei einem Gewitter beschädigt worden, so dass der Apparat auf diesen 3 Leitungen nicht mehr angerufen werden konnte. Aus dieser Situation heraus entstand die Idee, diese Spulenwicklungen in der eigenen Werkstatt zu erneuern. Voraussetzung dazu war natürlich eine Spulenwickelvorrichtung; ich wollte versuchen, diese ohne großen finanziellen Aufwand selbst zu konstruieren.

Wieder einmal wurde im Internet geforscht – Funkamateure und Elektronikbastler haben ja ähnliche Probleme zu lösen – Ideen und Lösungsansätze gesammelt. Nachdem mir 2 ausgediente, aber technisch noch funktionierende Akkuschrauber in die Hände gefallen waren, entstand diese Lösung einer sehr einfachen Spulenwickelvorrichtung unter Verwendung möglichst vieler altbrauchbarer Teile aus der Bastelkiste.

Rohbau
Rohbau

Die Akkuschrauber wurden zunächst ihrer Batteriehalterung entledigt, da diese überflüssig geworden war. Der Torso des Akkuschraubers bringt den Motor, ein robustes Getriebe und eine 6-Kant-Aufnahme für Schrauberbits mit. In die 6-Kant-Aufnahme habe ich ein dafür vorgesehenes Miniatur-Bohrfutter mit entsprechendem Ansatz eingesetzt. Ein zweites preiswertes Schnellspannfutter mit SDS-Aufnahme bildet das Gegenstück.

Die Halterungen für den Akkuschrauber sowie der Schlitten entstanden aus HPL-Platte, zurechtgeschnitten im Baumarkt. Die Grundplatte aus 16 mm MDF-Platte gibt die nötige Stabilität. Der Schlitten fährt auf einem handelsüblichen Schubladenauszug und die Wellen werden in Kugellagern geführt.

130120151919

Für die Einstellung der Motordrehzahl kaufte ich im Internet eine PWM-Steuerung „Made in China“ für knapp 3 EUR und für die Stromversorgung ein einstellbares Steckernetzteil (3; 4; 4,5; 5; 6; 7V/2,5A). In der Steuerung wurde noch ein Kippschalter zur Drehrichtungsumkehr und der Anschluß für einen zuschaltbaren Fußtaster zum bequemen Ein- und Ausschalten verbaut.

130120151920

Im Gegensatz zu den mechanischen Varianten von Zählwerken habe ich eine elektronische Lösung mit berührungsloser Auslösung gewählt. Bei der Fa. CONRAD gibt es einen kleinen elektronischen Zählerbaustein zu kaufen. Als Ansteuerung bewährt sich – nach einem erfolglosen Experiment mit Reedkontakt – eine Lichtschranke. Die IR-LED und Phototransistor sitzen sich in der Halterung des Akkuschraubers und der Welle gegenüber. Auf der Welle zum Bohrfutter rotiert eine Pertinax-Scheibe mit Langloch, so dass die Lichtschranke bei jeder Umdrehung für eine kurze Zeit freigegeben und der Zähler angesteuert wird. Die Form des Langloches in der Scheibe wurde nach einigen Versuchen gefunden, so dass der Zähler bis zur maximalen Umdrehungszahl von 200 min-1 zuverlässig mitzählt. Das Zählermodul fand seinen Platz im Gehäuse eines ausgedienten Funkweckers. Die alten AL(ARM)-Tasten des Weckers bekamen als Reset-Tasten für den Zähler (Nullstellung) noch eine ganz neue Aufgabe. Die Stromversorgung des Zählerbausteins erfolgt aus der Motorspannung 5V über 2 in Reihe geschaltete rote LED (~3V) und einen Goldcap als Puffer. Damit bleibt die erreichte Wicklungszahl auch bei Abschalten der Betriebsspannung noch für einige Minuten sichtbar. Die Spannung für die Beleuchtung des Zählers (9V) wird über einen Step-up-Wandler aus den 5V der Motorsteuerung gewonnen.

Vor der zu wickelnden Spule wurde noch eine seitliche Begrenzung für den Wickelraum vorgesehen. Die blanke glatte Welle mit den Gummirollen, die als verschiebbare Begrenzer dienen, stammt aus der Zerlegung eines alten Druckers. Diese seitlichen Begrenzer sollen verhindern, dass der Spulendraht beim Wickeln nach rechts oder links über den Rand der Spule hinaus läuft.

20150619_001009

Die Lagerung der Vorratsspule entstand ebenfalls aus aus HPL-Platte auf einer MDF-Grundplatte und einer großen Schraube mit nur vorn aufgebrachtem Gewinde. Um die Vorratsspule zu bremsen und dem Kupferdraht eine gewisse Vorspannung zu geben, wird sie mit einer Feder angedrückt, die von einer Flügel- oder Rändelmutter einstellbar vorgespannt wird.

Zwischen den beiden Bohrfuttern können die zu bewickelnden Spulenkörper auf Wellen mit einem Durchmesser bis zu 6 mm eingespannt werden.

290120151979

Die Aufnahmevorrichtung für die Weckerspulen entstand aus einem Stück Gewindestange M5 sowie 2 Karosseriescheiben und 4 Muttern.

Zum Einspannen von Spulenkörpern von Fernmelderelais (Flachrelais 48) wurden 2 spezielle Halterungen aus Pertinax mit 4mm-Zapfen auf beiden Seiten angefertigt. Der Kern des Flachrelais mit dem Spulenkörper wird in den beiden Halterungen mittig eingespannt, so dass er sich um seine Mittelachse dreht.

290120151970

290120151968

Die Drahtführung beim Wickeln erfolgt im Moment noch mit der Hand ohne automatische Führung. Eine automatische Drahtführung mit einstellbarer Begrenzung der Wicklungsbreite könnte ich mir für die Zukunft als Weiterentwicklung der Vorrichtung vorstellen. Dazu fehlt mir im Moment noch die „zündende Idee“.

k2-20150619_000936

k2-20150707_220438

Inzwischen ist die erste Ersatzspule für einen Wechselstromwecker im OB-Apparat mit 30000 Wdg. CuL-Draht 0,05mm gefertigt und diese einfache Spulenwickelvorrichtung hat ihre erste Bewährungsprobe bestanden.

20150707_231625

k2-20150707_231046

Damit ist endlich die Ersatzteilfrage für einfache Wecker- und Relaisspulen geklärt, diese können jetzt in der eigenen Werkstatt neu gewickelt werden.