Kleiner Stift – große Wirkung. Eine Geschichte aus der Praxis der Fernmeldewerkstatt Wuhlheide.

Vor einiger Zeit lief in der Fernmeldewerkstatt Wuhlheide folgende Störungsmeldung ein:

„Schrankenposten Bü1 – OB-Fernsprecher – Kurbel abgerissen!“

„Gut…ok…, sowas kommt vor…“, waren mein ersten Gedanken. Dabei hatte ich OB-Fernsprecher der letzten Generation vor Augen.
Die letztgebauten OB-Fernsprecher der Typen OB70 und OB92 haben sich in der Vergangenheit leider in dieser Richtung nicht durch „Unkaputtbarkeit“ hervorgetan. So „modern“ diese Apparate in ihren hellen Plastikgehäusen daherkommen, die Induktorkurbeln aus Kunststoff sind nach meiner Erfahrung nicht besonders haltbar und haben manchen Test durch unsere jüngeren und älteren Parkeisenbahner nicht überstanden. Prädikat: Nicht (park-)bahnfest!

Andererseits wußte ich, daß an diesem Schrankenposten ein Fernsprecher vom Typ OB33 im Einsatz ist. Diese Geräte sind inzwischen mehr als 80 Jahre alt und ich kann mich in meiner Praxis seit 1986 nicht daran erinnern, schon einmal bei einem OB33 eine abgerissene Kurbel oder einen ähnlich einschneidenden mechanischen Schaden erlebt zu haben! Dieser Fernsprecher hat sich bisher immer als „bahnfest“ und auch „parkbahnfest“ erwiesen.

Aber allein mit Kraft der Gedanken ist da sowieso nichts auszurichten: also auf ans Werk und den Apparat vor Ort überprüft!
Die Kurbel drehte sich sehr leicht und es schien wirklich irgend etwas abgerissen zu sein! Für weitere Untersuchungen wollte ich das das Gehäuse vom Apparat abnehmen, vorher muß aber die Kurbel abgeschraubt werden.
So weit, so gut! Nur – wie soll man das machen, wenn die Kurbel sich so leicht dreht, daß das Rückwärtsdrehen nicht zum Abschrauben der Kurbel von der Induktorwelle führt?!

Zum Glück ließ sich die Antriebswelle des Induktors samt Kurbel gegen die Feder ein Stück nach rechts herausziehen. Jetzt konnte eine spitze Telefonzange zum Einsatz kommen, mit der ich durch die kleine Öffnung um die Kurbel herum den Ansatz der Induktorwelle hinter der Kurbel packen und festhalten konnte. Erste jetzt ließ sich endlich die Kurbel durch Rückwärtsdrehung lösen und das Gehäuse abnehmen.

Die Begutachtung des Induktors brachte den Fehler ans Tageslicht. Der kleine Stift, der die Induktorwelle mit dem großen Zahnrad des Induktors verbindet, war der Übeltäter! Er war auch keinesfalls durch grobe Gewalteinwirkung gebrochen, soviel sei auch sogleich zur Entlastung des diensthabenden Personals gesagt.


Dieser Stift hatte sich – warum auch immer – aus seiner Bohrung in der Induktorwelle gelöst;  damit war die Verbindung zwischen Welle und Zahnrad nicht mehr gewährleistet und die Kurbel drehte sich leer durch.
Das also war des Rätsels Lösung!

Die eigentliche Reparatur war nun schnell erledigt, der Stift an seine Position gebracht und wieder ordentlich befestigt.

Nun wird auch dieser OB33 weiterhin noch viele Jahre zuverlässig im Dienst der Kinder und Jugendlichen bei der Berliner Parkeisenbahn stehen.

Das war wieder einmal ein schönes Beispiel aus der Praxis, welch kleiner Auslöser für eine gute Stunde spannender Arbeit an historischer Technik sorgen kann. Letztendlich hat mir diese Reparatur Freude gemacht und den Erfahrungsschatz um ein Detail bereichert.