Von Mast zu Mast – Freileitungsbau in der Praxis beim Prignitzer Kleinbahnmuseum e.V.

Die Beschäftigung mit historischer Fernmeldetechnik beeinhaltet nicht nur alte Telefone und Bahnhofsuhren, auch in der Leitungstechnik gibt es Historisches zu ergründen. Augenfälliges Symbol alter Nachrichtentechnik sind die Freileitungen oder Telegraphenleitungen, wie sie der Volksmund nennt. Dabei dienten diese Leitungen, die früher allgegenwärtiger Begleiter der Bahnstrecken waren, keinesfalls nur der Telegrafie. Telefonverbindungen, Fernschreiber, Uhrenlinien aber auch Steuerleitungen und Verbindungen für den Streckenblock wurden als Freileitungen zwischen den Betriebsstellen einer Bahnstrecke gebaut. Je nach der Bedeutung der Strecke und damit der notwendigen Anzahl von Verbindungen waren die Gestänge der Freileitungen unterschiedlich ausgebaut.

Die theoretischen Grundlagen der Freileitung habe ich noch 1987/88 in der Berufsschule gelernt, allerdings hatte ich in der Praxis damals keine Berührungspunkte mehr mit dieser Technik. Innerhalb von Berlin gab es in dieser Zeit schon keine Freileitungsstrecken mehr, jedenfalls nicht im Instandhaltungsbereich, in dem ich als Lehrling eingesetzt war. Auf der Strecke Richtung Osten (Küstrin/Kietz) endeten die Freileitungen kurz vor Strausberg und für diesen Teil der Strecke war eine andere SFm (Signal- und Fernmeldemeisterei) zuständig.

Auszug Berufsschulhefter2

 Heute sind Freileitungen an den Bahnstrecken der DB eher eine Ausnahme und die letzten ihrer Art werden auch in wenigen Jahren der Modernisierung des Bahnnetzes weichen müssen. Dafür wurde das Thema Freileitung in den letzten Jahren von einigen Museumsbahnen aufgegriffen und es wurden sowohl alte Linien instandgesetzt und vor dem Verfall bewahrt als auch neue Freileitungslinien an alter Stelle wieder neu errichtet. Ich möchte hier nur als Beispiele Schmalspurbahnen in Sachsen nennen, wie die Preßnitztalbahn und die Zittau-Oybin-Johnsdorfer Eisenbahn aber auch den Rasenden Roland (Strecke Pustbus – Göhren) auf der Insel Rügen. Entweder sind alte Anlagen noch vorhanden oder es wurden die Freileitungen zumindest an fotogenen Stellen neu errichtet. Anerkennenswert ist das besonders für die Bahnen, die im ÖPNV tätig sind, da die Freileitung heute an sich keine technische Funktion mehr haben muß, und eigentlich im Sinne des ÖPNV wirtschaftlich und technisch nicht unbedingt nötig wäre.

Auch bei der Prignitzer Museumseisenbahn Pollo läuft ein Projekt, die alten Freileitungen entlang der Strecke auf bestimmten Streckenabschnitten wieder zu errichten. Um ein solches Projekt ausführen zu können, muß auch altes Fachwissen zum Bau und zur Unterhaltung der Freileitungen bewahrt und ggf. wieder neu erlernt werden. Eine gute Grundlage dafür sind die alte Dienstvorschrift  DV860 -Freileitungsbau- der Deutschen Reichsbahn von 1942 sowie alte Lehrbücher zum Thema, die heutzutage nur noch antiquarisch zu beschaffen sind. Aber die Theorie ist bekanntlich nur eine Seite.

Zu Pfingsten 2015 hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, selbst praktische Erfahrungen beim Bau von Freileitungsanlagen zu sammeln und sozusagen noch einen kleinen Teil meiner praktischen Lehrausbildung von 1988 nachzuholen. Beim Pollo sollten wieder einmal eine Anzahl Stützpunkte gesetzt werden und ich schloss mich dem Fernmelde-Bautrupp sozusagen als Praktikant an.

Zunächst waren die Holzmaste vorzubereiten. Die Stangen sind vom Werk aus zwar dauerimprägniert; dennoch bekommt der Bereich, der später in die Erde kommen soll, einen zusätzlichen Schutzanstrich aus Bitumen. Das verlängert die Haltbarkeit in diesem Bereich beträchtlich.

 Mastfuß streichen

Anschließend wurden die Hakenstützen mit den Isolatoren montiert. Dazu kam die Bohrmaschine mit einem kräftigen Holzbohrer zum Einsatz und die zuvor auf Vorrat aufgearbeiteten Stützen wurden ins Holz eingeschraubt und ausgerichtet.

Stützen schrauben1

Das Bild der Stützpunkte soll dem entsprechen, wie es auf alten Fotos bis 1969 zu sehen war. Für eine Schmalspurbahn genügten damals wenige Verbindungen, deshalb haben die Stangen nur 3 einzelne Isolatoren und es wurden hier keine Querträger verbaut.

Stützen schrauben2

Nachdem eine Anzahl Stangen auf dem Lagerplatz vorbereitet worden war, folgte als nächster Schritt die Verladung auf den Arbeitszug. Die Stangen wurden auf einen Rollwagen verladen, der zuvor mit hölzernen Böcken zur Lagerung ausgerüstet worden war. Dabei ist die Technologie der Verladung ähnlich der, wie sie manchmal noch heute zum Beispiel bei der Waldbahn in Rumänien angewandt wird, um Baumstämme per Hand zu verladen. Grundprinzip: eine schräge Rampe aus alten Stangen errichten und die Ladung die Schräge hinauf auf den Wagen rollen. Funktioniert mit 2…3 Mann und überschaubarem Kraftaufwand ganz ohne maschinelle Hilfe.

Verladung Stangen

Nach der obligatorischen Ladungssicherung wurden Werkzeuge und Geräte in den geschlossenen Güterwagen verladen, unter anderem Spaten, Schaufeln, Hacken, Seile und ein Erdbohrer. Danach ging es in den Zugpausen mit dem Arbeitszug auf die Strecke zur Baustelle.

Da die Dampflok 99 4633 zu Pfingsten beim Pollo zu Gast war, wurde der Arbeitszug zeitweise mit der Dampflok bespannt gefahren, ansonsten kamen die beiden Dieselloks V10 und die Ns3 zum Einsatz.

Arbeitszug Dampflok

 Früher wurden die Löcher für die Stangen überwiegend per Hand gegraben. Soweit es möglich war, kam in der heutigen Zeit beim Pollo zu diesem Zweck jedoch ein Erdbohrer mit Motorantrieb zum Einsatz. Mit diesem Gerät konnten wir bei günstiger Beschaffenheit des Untergrundes mit 4 Mann in wenigen Minuten ein passendes Loch von etwas mehr als 1m Tiefe bohren.

Für die Feinarbeit und bei schwierigem Untergrund leistete dennoch der klassische Handbagger mit 2 langen Stielen wertvolle Unterstützung.

 Erdbohrer1

 Die Arbeiten wurden zeitweise von interessiertem Publikum aufmerksam verfolgt. So etwas sieht man heutzutage eher selten und es gab interessante Foto- und Filmmotive festzuhalten.

Erdbohrer2

In weiteren Verlauf der Arbeiten wurde eine starke Bohle ins fertige Loch herabgelassen und anschließend konnte der Mast aufgestellt werden. Dazu wurde der Mast zunächst gegenüber der Wagenachse um 90° gedreht und der Mastfuß gegen die Bohle im Erdloch abgestützt. Um den Mastzopf wurde noch ein langes Seil geschlungen und die Enden von 2 Kollegen im Winkel von ca. 90° auseinandergezogen. Soweit vorbereitet konnte der Mast mit vereinten Kräften schiebend und ziehend vom Wagen aus aufgerichtet werden und rutschte meistens ziemlich zielgenau an der Bohle hinab in das vorbereitete Erdloch.

Damit alles seine Ordnung hat, war auch die Transportpolizei zeitweise vor Ort und erfüllte ihrem Kontrollauftrag höchst verantwortungsbewußt 🙂

Klenzenhof Mast aufrichten

Anschließend wurden die Stangen senkrecht und in der Flucht zueinander gerade ausgerichtet und das Erdloch mit Aushub wieder verfüllt. Zu guter Letzt wurde die eingebrachte Erde gut verdichtet, um einen sicheren Stand zu erreichen.

Ausrichten

Auf diese Weise konnte so in wenigen Tagen eine große Anzahl Stangen gesetzt werden, die bei den Fotofahrten zu Pfingsten schon die Bilder der Fotografen auf der Strecke um ein nettes Detail bereicherten.

 Strecke mit Masten

Für mich war dieser Arbeitseinsatz eine spannende Herausforderung und interessante Erfahrung. Es zeigte sich auch deutlich, welche körperlichen Anstrengungen die Fernmeldebautrupps in früherer Zeit bei Wind und Wetter tagtäglich zu leisten hatten, obendrein standen auch einige der modernen Hilfsmittel der heutigen Zeit damals noch nicht zur Verfügung. [Muskelkater am Abend und trotzdem jede Menge Spaß gab´s inclusive] 🙂

Weitere Fortschritte bei diesem Projekt werden unter www.pollo.de und sicherlich auch hier wieder in diesem Blog dokumentiert.